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    Keine Sorge um den Trucker-Beruf trotz autonom fahrender Lkw

    Alle Augen richten sich auf Tesla und die selbst fahrenden Pkw. Dabei sind selbst fahrende Lkw vielleicht schon deutlich früher auf unseren Straßen unterwegs! Wer jetzt aber Angst hat, dass der Trucker-Job in ein paar Jahren überflüssig sein wird, kann sich beruhigen: Ganz so leicht ist der Mensch nicht durch die Maschine zu ersetzen.

    Die Vorteile selbst fahrender Lkw

    Es klingt wirklich gut: Der Lkw wird nicht müde, hat keine Konzentrationsschwächen, kann viel länger am Stück fahren als ein Mensch, fährt gleichmäßiger und damit effizienter… die Liste der Vorteile von autonomen Lkw ist lang. Radarsysteme, Kameras und mehr als 400 Sensoren pro Fahrzeug sorgen dafür, dass andere Fahrzeuge und etwaige Hindernisse zuverlässig erfasst werden. Das System kann innerhalb einer Zehntelsekunde eine Vollbremsung einleiten. Damit ist es deutlich schneller als der menschliche Fahrer, der immerhin rund 1,4 Sekunden braucht – je nach Tagesform auch mehr.

    Im US-Bundesstaat Florida hat man eine weitere Spielart der neuen Logistik getestet, die selbst fahrende Lkw beinhaltet: Beim „drone delivery“ bringen Drohnen die Lieferungen durch die Luft von den fahrenden Lkw aus zu ihrem Bestimmungsort. Der Fahrer des Trucks belädt die Drohnen, während der Wagen selbsttätig fährt, und entlässt sie durch das Schiebedach. Der Truck folgt seiner vorgeschriebenen Route, und die Drohne kehrt jeweils nach dem Ausliefern zum Lkw zurück, um weitere Päckchen abzuholen. Gerade in weiten, menschenarmen Gegenden kann dieses Zusammenspiel aus selbst fahrenden Trucks und Drohnen den Lieferunternehmen große Einsparungen ermöglichen.

     

    Für das dichter besiedelte Deutschland ist vielleicht die Möglichkeit spannender, dass sich mehrere Lkw in Konvois zusammenschließen können; Platooning nennt man das. So nutzen die hinteren Wagen den Windschatten des Vordermanns und sparen Sprit. Die Lkw halten voneinander nur einen Abstand von 15 Metern. Da jede Aktion des vorderen Fahrzeugs sofort an alle anderen Wagen weitergegeben wird, reicht dieser geringe Abstand aus. Die Fahrer der hinteren Wagen bekommen außerdem den Blick aus der Windschutzscheibe des vorderen Fahrzeugs auf den Monitor übertragen, sodass sie jederzeit sehen können, was der erste Fahrer sieht. Um diesen Zusammenschluss herbeizuführen und wieder aufzulösen, sind manuelle Befehle der Fahrer in den Führerhäusern vonnöten.

    Veränderung kostet Zeit

    Im Jahr 2017 stellte das International Transport Forum (ITF) beim Weltverkehrsforum in Leipzig eine Studie vor: Bis zum Jahr 2030 würden in den USA und Europa etwa 50 bis 70 Prozent weniger Lkw-Fahrer benötigt werden. Das würde die Effizienz und Sicherheit im Straßenverkehr deutlich verbessern.

    Die Studie, die 2018 an gleicher Stelle ebenfalls vom ITF vorgestellt wurde, klingt ein wenig anders: Wo Mensch UND Maschine beide Entscheidungen treffen dürfen, kann das Autofahren sogar noch unsicherer werden als zuvor. Einer der Autoren der Studie betonte, dass eine oft aufgestellte Behauptung nicht belegbar ist: Nämlich, dass durch autonomes Fahren bis zu 90 Prozent aller Unfälle vermieden werden könnten. Es gibt zu wenige Daten für den Beweis. Vor allem aber ist diese Zahl eine Prognose für das komplett autonome Fahren und nicht um das aktuell mögliche teilautonome Fahren auf gut bekannten Strecken.

    Der Fahrer muss beim jetzigen Stand der Forschung noch immer in der Fahrerkabine sein und darf die Straße nicht aus den Augen lassen. Der Zeitpunkt, zu dem er während der Fahrt ein Nickerchen machen oder ein Buch lesen kann, ist noch lange nicht gekommen. Bei der Sperrung einer Spur zum Beispiel muss der Fahrer immer noch manuell auf die andere Spur hinüber lenken, und das Platooning muss vor Baustellen noch immer von Hand aufgelöst werden.
    Weiterhin gibt es Probleme mit den Sensoren und den Kameras etwa bei starkem Regen, Schnee und Hagel, Staub oder Matsch. Das geht zum Beispiel aus der Seminararbeit „Sensoren in automotiven Szenarien“ vom Fachbereich Informatik an der Universität Magdeburg hervor: Vor allem die Zuverlässigkeit optischer und optoelektronischer Geräte wird durch Schmutz beeinträchtigt. Ultraschallsensoren können bei starker Verschmutzung auch ausfallen. Das Gleiche gilt für Laser-Scanner im Außenbereich. Hier warnen die Hersteller wie beispielsweise Götting davor, dass bei „extremem Wetter“ der Not-Aus ausgelöst werden kann.

    Auch für den Stadtverkehr müssen noch einige Forschungen betrieben werden. Wie gut die Sensoren funktionieren, wenn zum Beispiel plötzlich ein Kind auf die Straße läuft, ist noch nicht klar. Der Stadtverkehr ist wahrscheinlich auch in anderer Hinsicht zu kompliziert für die autonomen Lkw: Plötzliche Straßensperrungen, parkende Autos, die viel zu weit auf der Straße stehen, Müllabfuhr, Events und viele weitere Eventualitäten erfordern den Geist eines Menschen. Er kann die Situation überblicken und dank seiner Erfahrungen fundierte Entscheidungen treffen. Das gilt genauso für ländliche Gegenden, die von Navigationsgeräten nicht gut erfasst sind: Auch hier werden Lkw-Fahrer in absehbarer Zeit nicht überflüssig.

    Dieser Auffassung ist auch der Vorstand von Daimler-Trucks, Martin Daum. Sein Konzern investiert aktuell viel in die Forschung rund um das Platooning. Dennoch sagte er im Interview mit der „Automobilwoche“ im Februar 2018, das er nicht mit einem baldigen Durchbruch autonomer Lkw rechne. Zu zahlreich sind die Unwägbarkeiten vor allem im Stadtverkehr, zu ungewiss die Frage, ob man auf die Anwesenheit eines Menschen gänzlich verzichten kann, der im Bedarfsfall eingreift.

    Weitere Hindernisse, die sich auf dem Weg zum autonomen Lkw auftun, betreffen die Sicherheit. Ein Fahrzeug, das gleichzeitig ein fahrender Computer ist, ist anfällig für Softwarefehler und für Angriffe von Cyberkriminellen. Sei es, dass findige Köpfe den Wagen unter Umständen neue Zielkoordinaten geben könnten, sei es, dass jemand es auf die eingegebenen Daten abgesehen hat: Ein autonomer Lkw muss ganz neuen Ansprüchen an die IT-Sicherheit entsprechen. Auch sind viele rechtliche Fragen rund um einen eventuellen Schadensersatz und die Versicherungen noch ungeklärt.

    Der Job des Fahrers erfährt eine Veränderung

    Sind Sie als Lkw-Fahrer tätig, müssen Sie erst einmal nicht um Ihren Beruf bangen: Bei der aktuellen Fahrerknappheit und den vielen Steinen, die die Forschung rund um das Thema autonome Lkw noch aus dem Weg räumen muss, sind Sie vorerst nicht ersetzbar. Allerdings sollten Sie sich darauf einstellen, dass sich einige Dinge ändern werden. Beispielsweise werden Ihnen verschiedene Schulungen bevorstehen, in denen Sie beigebracht bekommen, wie Sie mit den neuen Lkw umgehen müssen und wie Sie zusammen mit anderen Fahrern agieren.

    Haben Sie die Befehle verinnerlicht, können Sie sich auf ein deutlich entspannteres Fahrgefühl freuen! Allerdings handelt es sich hier um Vorfreude, denn die Zulassungen und die Vereinheitlichung der bisherigen Errungenschaften für verschiedene Marken liegen in mittelferner Zukunft: Laut der Studie „Delivering Change – Die Transformation des Transport­sektors bis 2025“ der Unternehmensberatung McKinsey & Company wird bis zum Jahr 2025 jeder dritte Lkw teilautonom sein. Von kompletter Autonomie ist hier nicht einmal die Rede.

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